Mrz 19 2018

[Rezension] Woman in the window (A.J. Finn)

Anna Fox lebt allein. Ihr schönes großes Haus in New York wirkt leer. Trotzdem verlässt sie nach einem traumatischen Erlebnis ihre vier Wände nicht mehr. Anna verbringt ihre Tage damit, mit Fremden online zu chatten, zu viel zu trinken – und ihre Nachbarn durchs Fenster zu beobachten. Bis eines Tages die Russels ins Haus gegenüber einziehen – Vater, Mutter und Sohn. Bei dem Anblick vermisst Anna mehr denn je ihr früheres Leben, vor allem, als die neue Nachbarin sie besucht. Kurze Zeit später wird sie Zeugin eines brutalen Überfalls. Sie will helfen. Doch sie traut sich nach wie vor nicht, das Haus zu verlassen. Die Panik holt sie ein. Ihr wird schwarz vor Augen. Als sie aus ihrer Ohnmacht erwacht, will ihr niemand glauben. Angeblich ist nichts passiert.

Nun ist der Trend mit den Frauengesichtern auf den Covern einigermaßen vorbei, nun sind die Frauen / Mädchen im Titel irgendwo drin. In Kabine 10, im Zug und hier nun im Fenster. An sich bin ich kein Fan mehr von amerikanischen Krimis / Thrillern, aber hier klang der Klappentext so interessant und nach meinem Geschmack, dass ich eine Ausnahme gemacht habe.
Im Zentrum der Geschichte steht die ehemalige Kinderpsychologin Anna Fox, die sich nach einem traumatischen Erlebnis nicht mehr traut, ihr Haus zu verlassen. Das alleine ist schon eine interessante Vorstellung und ich habe mich eingangs gefragt, wie wohl der Alltag einer solchen Person aussieht. Wie handhabt man Alltägliches wie zB den Einkauf, wenn man nicht rausgeht? Ich habe teilweise sehr gestaunt, wie Anna all das organisiert bekommt, welche Möglichkeiten es gibt. Ihre Zeit verbringt sie damit, alte Filme zu schauen, im Internet zu chatten und leider viel zu viel Alkohol zu trinken. Insbesondere der letzte Punkt hat dafür gesorgt, dass ich mit Anna bis zum Schluss nicht richtig warm geworden bin. Ich mag einfach keine Figuren, die (zu viel) trinken. Traumatisches Erlebnis hin oder her. Anna klingt so oft so intelligent, sie weiß sich auszudrücken und kann durchaus strategisch vorgehen. Wie kann eine solch intelligente Frau sich flaschenweise Wein hinter die Binde kippen?
Dennoch tat sie mir natürlich leid als sie die grausige Entdeckung im nachbarlichen Fenster gemacht hatte und niemand ihr glauben wollte. Einerseits wusste ich zwar, auch dieser Vorfall kann auf das Konto des Alkohols gehen, andererseits habe ich Anna einfach geglaubt. Und ich habe mich darüber geärgert, wie andere Personen ihr begegnen. Beispielsweise ein Polizist, eine Freundin, ihr Mann, der seit dem Ereignis mit der Tochter von Anna getrennt lebt etc. Niemand glaubt ihr und hält ihr stattdessen noch ihr einigermaßen verwahrlostes Leben vor.  Dass Anna sich darüber aufregt, konnte ich gut nachvollziehen.
Entsprechend gespannt und neugierig war ich, ob und wie sie all diesen Leuten beweisen würde, dass sie die Warhheit sagt. Es ist spannend zu verfolgen, was ihr dafür alles einfällt, wie schlau sie aus ihrer isolierten Position heraus versucht, Schlüsse zu ziehen. Und wie sie stellenweise über sich und über ihre Angst davor, das Haus zu verlassen,  hinauswächst.  Mit diesem Ehrgeiz gefiel sie mir gleich noch eine Spur besser und ich habe ihr ehrlich die Daumen gedrückt.
Gleichzeitig habe ich versucht, eigene Schlüsse zu ziehen. Kann man sich so etwas in einer solchen, an sich gepflegten Nachbarschaft vorstellen? Wie geben sich die Personen um Anna herum? Wer könnte mit in der Sache drinstecken? Und wieso eigentlich? Sowas macht mit beim Lesen immer viel Spass.
Das Finale kann man guten Gewissens dramatisch nennen und gleich in zweierlei Hinsicht als echte Überraschung bezeichnen.  Die eine Überraschung fand ich schlichtweg cool. Da schlägt die Story einen Haken vom Thriller zum Psychthriller. Mit der anderen Überraschung hatte ich einfach überhaupt nicht gerechnet.

Mit 541 Seiten ist das Buch ganz schön dick. Doch die Kapitel sind recht kurz, sodass man schnell einen ganzen Schwung davon einfach so wegliest.  Außerdem erzählt Anna ihre Geschichte selber, teilweise sehr locker, dann wieder in Bildern und mit Formulierungen, bei denen man schon mal kurz nachdenken muss und an denen man klar erkennt, welch intelligente Person sie ist. Das ist abwechslungsreich und einfach angenehm zu lesen.

Oben auf dem Bild sieht man sofort, dass der Titelschriftzug quasi durch ein Lamellenrollo schaut, was gut zum Titel passt. Hat man das Buch vor sich liegen, muss man schon genau hinsehen um das zu erkennen. So blau sind die Lamellen da nicht. Das finde ich schade. Aber düster sieht das Cover aus, wie es sich für einen Thriller gehört. Und der leuchtend rote Schriftzug bildet einen tollen Kontrast.

Fazit:  Anna war leider nicht ganz mein Fall, aber es hat immerhin dafür gereicht, dass ich ihre Empörung darüber, dass man ihr nicht glauben will, sehr gut nachvollziehen konnte. Ich habe ihr die Daumen gedrückt, dass sie die Zweifler überzeugen würde und es hat mich beeindruckt, wie Anna sich dabei mausert. Das Finale ist dramatisch und wartet gleich mit zwei echten Überraschungen auf. Und mit eine kleinen Hoffnungsschimmer auch.

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Titel: Woman in the window
Autor: A.J. Finn
Seiten: 541
Verlag: Blanvalet
ISBN:  978-3764506414
Preis: 15,00 (Broschiert)

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