Wer würde nicht gerne einfach mal verschwinden? In den nächsten Bus springen und alles hinter sich lassen? Genau das macht die sechzehnjährige Mim Malone. Es reicht ihr, immer das zu tun, was ihr Vater und seine neue Frau für richtig halten. Sie will wissen, weshalb ihre Mom aus ihrem Leben verschwunden ist. Und ihre Gedanken sollen endlich aufhören, in ihrem Kopf Karussell zu fahren. Also steigt sie einfach in den Greyhound-Bus und haut ab, zu ihrer Mom. Während draußen die Landschaft vorbeifliegt, macht Mim einige unvergessliche Bekanntschaften – die wunderbare Arlene, den unheimlichen Ponchomann und den äußerst attraktiven Beck, an den sie ihr Herz zu verlieren droht. Doch dann verändert ein tragischer Unfall von einem auf den anderen Augenblick alles. Und Mim muss sich den wirklich entscheidenden Fragen in ihrem Leben stellen.
Ich bin ja so jemand, der immer nach Möglichkeiten sucht, irgendwie wegzukommen. Irgendwo anders hinzukommen, unterwegs zu sein, was zu erleben. Daher klang der Klappentext dieses Buchs für mich sehr vielversprechend. Für solche Roadtrip-Storys habe ich sonst eine ganze Menge übrig.
Grundsätzlich hat „Auf und davon“ alles an Bord, was eine solche Geschichte für mich haben sollte. Mim ist unterwegs: mit dem Bus, einem ollen Auto, manchmal kurz auch zu Fuß, sie erlebt eine ganze Menge Abenteuerliches und lernt eine Reihe interessanter Menschen kennen. Das sind Elemente, die ich an solchen Geschichten immer sehr schätze.
Auch der eigentliche Aufhänger sagte mir zu: Mim lebt mit ihrem Vater und dessen neuer Frau zusammen. Niemand hat ihr je gesagt, wieso der Kontakt zu ihrer Mutter plötzlich abbbrach. Nun möchte Mim zu ihrer Mutter reisen um es herauszufinden. Ist ihre Mutter womöglich krank? Was ist vorgefallen? Das hätte durchaus spannend sein können. Ich habe sogar eine Weile gegrübelt, was dahinterstecken könnte, allerdings nicht sehr lange. Dafür war einfach zu viel los. Denn auch das ist „Auf und davon“: abwechslungsreich. Es ist immer etwas los. Normalerweise hätte Langweile da keine Chance haben dürfen.
Normalerweise! Denn trotzdem die Geschichte alle erforderlichen Elemente mitbringt, die zu einer Roadtrip-Story gehören, hat sie mir leider nicht gefallen. Der wesentliche Grund dafür ist schlicht und einfach Mim. Mim ist sechzehn Jahre alt und genau so ein Mädel hätte ich mir gewünscht: ein munteres, abenteuerlustiges und mutiges, ganz normales Mädchen. Doch Mim ist das genaue Gegenteil! Ich habe ihr die Sechzehnjährige nicht eine Seite lang abgenommen. Ihre Denk- und Sichtweisen sind alles, aber sicher nicht die einer Sechzehnjährigen. Ganz egal, was sie im Leben schon mitgemacht hat, ganz egal, ob sie sich für eine Anomalie hält, aber so denkt und verhält sich keine Sechzehnjährige! Das ist ein Jugendbuch und ich musste mich manchmal ganz schön anstrengen, um Mims Gedankengängen folgen zu können. Und ich bin kein Teenager mehr! Wie mag es da erst jugendlichen Lesern gehen?
Es strengt an und wenn sich solche Überlegungen über Seiten ziehen, dann bleiben Spannung und Unterhaltsamkeit schnell auf der Strecke. Und wenn man alles und jeden dermaßen tiefgründig analysiert und in sein eigenes, kompliziertes, teilweise verqueres Weltbild quetscht, dann sind Personen und Ereignisse, die an sich interessant sind, bald zu Tode analysiert.
Zum Teil ist die Geschichte in Briefform geschrieben. Mim schreibt an eine Isabel. Einige Male wird zwar eine Tante dieses Namens erwähnt, aber nicht, wieso Mim ihr schreiben sollte. Schreibt sie also überhaupt an diese Tante? Das habe ich mich anfangs eine Weile gefragt, aber dann wurde es mir gleichgültig. Am Ende wird es aufgelöst, doch der Wow-Effekt -der womöglich damit ausgelöst werden sollte- ist bei mir nicht eingetreten. Okay, dann eben nicht.
Eine allerletzte Chance hätte „Auf und davon“ bei mir noch gehabt, kurz vor dem Ende nämlich. Da hätte ich mir einen ganz speziellen Dreh gewünscht und schon wäre ich mit einem Großteil des Vorangegangenen versöhnt gewesen. Doch der Dreh kam nicht. Schade, sehr schade. Ich hatte es mir so gewünscht, dass die Story die Kurve doch noch kriegt. Aber Wünsche sind eine unsichere Sache. Der hier wurde leider nicht erfüllt.
Durch den Wechsel zwischen Mims normaler Erzählung und den Passagen in Briefform ist an sich eine gewisse Abwechslung gegeben. Das sorgt bei mir normalerweise dafür, dass mein Lesetempo einen Zahn zulegt. Da aber beide Varianten Mims kruder Gedankenwelt entspringen und entsprechend so geschrieben sind, habe ich mich quasi hindurch geschleppt. Vom Tempo keine Spur. Das konnten auch die einzelnen Zeichnungen nicht auflockern.
Das Cover finde ich immer noch wunderschön. Und es sieht so verheißungsvoll aus. Ein Mädchen mit Pferdeschwanz auf dem Dach eines Busses, das lässt sofort auf Abenteuer hoffen, auf eine turbulente Reise, die genauso schöne, wie auch traurige Momente hat, auf einen Schuss Romantik vielleicht noch. Ich glaube, man kann es mir nicht verdenken, dass ich mir anhand des Covers und des Klappentextes etwas ganz anderes von „Auf und davon“ erwartet hatte.
Fazit: Ich hatte mir so viel von dieser Geschichte versprochen! Und sie hat grundsätzlich alles an Bord, was eine Roadtrip-Story für mich mitbringen sollte. Doch Mims (für eine Sechzehnjährige völlig unytpsiche) Gedankenwelt und Sichtweisen, haben alle meine Erwartungen im Nu zunichte gemacht. Ich habe sicher nichts gegen eine Schippe Tiefgründigkeit und ernsthafte oder traurige Momente -auch so etwas gehört zu solchen Reisen-, aber das hier ist schlicht und einfach chaotisch, verworren und zu Tode analysiert. Da haben Spannung und Unterhaltsamkeit keine Chance.
Titel: Auf und davon
Autor: David Arnold
Seiten: 384
Verlag: Heyne fliegt
ISBN: 978-3453269835
Preis: 14,99 (HC)
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