Als die 17-jährige Lida Donelley zusammen mit ihrem Freund Jesper an einem sogenannten „Blind Walk“, einem Event aus dem Internet, teilnimmt, rechnet sie mit nicht mehr als ein bisschen Nervenkitzel. Zusammen mit fünf anderen Jugendlichen werden Lida und Jesper mit verbundenen Augen in der Wildnis ausgesetzt, ausgestattet mit einem Kompass und ein paar wenigen Gegenständen. Doch von Anfang an ist die Stimmung in der Gruppe hochexplosiv. Die Situation droht zu eskalieren, als die Jugendlichen nach kurzer Zeit die Leiche einer der Männer finden, die sie in den Wald gebracht haben. Lida beschleicht das unheimliche Gefühl, dass sie beobachtet werden. Schon bald wird dieser erste Verdacht zur bösen Gewissheit: Irgendjemand da draußen macht Jagd auf sie. Und der Jäger scheint es dabei vor allem auf sie, Lida, abgesehen zu haben.
Dieses Buch packte mich sofort alleine mit dem Klappentext. Ich bin ein kleiner Fan von Geschichten um solche Survival-Touren. Da kann man mitunter ganz tolle und spannende Thriller draus bauen. Das erwartete ich auch von „Blind Walk“.
Direkt nach dem Lesen hätte ich sicher eine andere Besprechung geschrieben als jetzt. Ich habe das Buch ein paar Tage sacken lassen. Denn speziell zum Ende hin konnte ich es nicht aus der Hand legen, so dringend wollte ich endlich wissen, was da vor sich geht. Das fand ich schon sehr spannend.
Nun hört man das dicke ABER sicher schon trapsen, oder? Stimmt, hier kommt es. Genauer gesagt, kommen hier diverse ABER.
Der Reihe nach. Grundsätzlich, ich habe einiges gegen langatmige Erklärungen und Beschreibungen, doch „Blind Walk“ schubst einen so direkt in die Geschichte, dass man erstmal einiges einfach hinnehmen muss. Beispielsweise die große Liebe zwischen Lida und Jesper. Und dass eben dieses Event mit dem Blind Walk ansteht, an dem Jesper eigentlich alleine teilnehmen möchte. Doch Lida will mit und als Mädchen hat man eben so seine Argumente. Fand ich etwas schlicht und einfach und auch irgendwo billig, aber bitte.
Was ich dagegen gar nicht so richtig glauben konnte, das war der Dreh kurz nachdem sie bei der Gruppe angekommen sind. Das habe ich als absolut unglaubwürdig empfunden. Es wirkte eher so als habe man diesen Bruch brachial erzwungen, weil es der Verlauf der Story dienen sollte.
Dann wären da noch die anderen Gruppenmitglieder, über die man kaum etwas erfährt. Ich brauche ausführliche Charakterisierungen über diverse Seiten ebenso wenig wie seitenlange Schilderungen eines popeligen Walds, aber ein bisschen mehr hätte es gerne sein dürfen. Es wird quasi lediglich auf Äußerlichkeiten und vonehmlich negative Charakterzüge eingegangen. Eben das, was Lida wahrnimmt, denn sie erzählt die Geschichte. Aber deshalb hätte man den anderen doch gewisse Verhaltensweisen oder Aussagen mitgeben können, aus denen man sich als Leser nochmal ein eigenes Bild hätte zimmern können. So aber blieben alle total eindimensional und blass für mich. Obendrein habe ich mich an einigen Namen gestoßen. Thore, Birk, Lida (wieso hat das Mädel eigentlich einen englischen Nachnamen?), Jesper…klar, es turnen bereits massig Marcs und Sarahs usw durch die Bücher, aber man kann es mit kreativen Namen auch übertreiben.
Den nächste Knackpunkt für mich habe ich oben schon mal angeschnitten. Zum Kuckuck, ich weiß, wie ein Wald aussieht, ich habe auch schon mal eine Schlucht im Wald gesehen, an einem Waldsee stand ich auch schon mal und dichtes Gebüsch gibt es nicht nur in Wäldern. Sowas muss ich nicht alle naselang neu beschrieben haben. Beim Begriff „Wald“ hat sicher jeder sofort ein Bild vor Augen, beim Wort „See“ ebenfalls. Na also! Dann reicht es doch, einmal darauf einzugehen. Kommen solche Beschreibungen häufig vor, neige ich zum Überspringen dieser Absätze.
Wenn ich noch ein paar Tage nachdenken würde, würden mit sicher noch ein paar ABER einfallen, aber ich belasse es mal bei nur einem weiteren. Nämlich die Auflösung! Ohne zu spoilern kann man wohl sagen, dass es hier an sich gar nicht um die Survival-Tour und ihre Gefahren geht. Es geht um etwas ganz anderes. Ein Thema nämlich, das ich an sich sehr interessant finde und aus dem man 100%ig einen tollen Thriller machen könnte, aber hier wirkt das dermaßen abgedreht und unglaubwürdig, dass man eigentlich drüber lachen müsste. Ich habe mit Sicherheit nichts gegen irre und kranke Verbrecher, gegen Psychopathen, aber das hier, das kann man der Story einfach nicht abnehmen.
Lesen lässt das Buch sich ganz gut. Wenn man sich daran gewöhnt hat, dass Lida und Co. oft zwischen recht hochgestochner Ausdrucksweise und Gossen-Slang wechseln und man bei den besagten beschreibenden Passagen auch mal quer lesen kann, dann fliegen die Seiten nur so dahin. Die Kapitel haben eine ordentliche Länge und der gelegentliche Wechsel zu anderen Figuren sorgt für Abwechslung.
Optisch ist das Buch genau mein Fall. Finster und dazu eine kontrstreiche Farbe, die krallenartigen Zweige, das wirkt. Das Buch ist übrigens ebenfalls so gestaltet. Man hat also auch ohne Schutzumschlag ein schickes Buch in den Händen. Da ich den Schutzumschlag zum Lesen entferne, gefällt mir das immer sehr gut so.
Fazit: Auch wenn es am Ende spannender wurde, weil ich nun endlich wissen wollte, was da los ist, konnte mich „Blind Walk“ doch nicht von sich überzeugen. Dagegen sprachen beispielsweise die blassen Charaktere mit den seltsamen Namen, die oft langatmigen Schilderungen und einige absolut unglaubwürdige Vorkommnisse, zu denen leider auch die Auflösung gehört. Schade. Vielleicht wäre es besser gewesen, einen Thriller um solch ene Survival-Tour zu schreiben und einen über besagtes andere Thema. Einzeln würde das sicher funktionieren, in dieser Kombination aber leider nicht.
Titel: Blind Walk
Autor: Patricia Schröder
Seiten: 448
Verlag: Coppenrath Verlag
ISBN: 978-3649617495
Preis: 17,95 (HC)
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