Er hatte die Zeichen gesehen. Er sah sie seit Jahren schon, und hatte immer wieder versucht, die Menschen zu warnen, doch nie wollte jemand ihm glauben.
Sie hatten ein Opfer dargebracht. Auf keinen Fall durften sie ihn hören. Sie wissen, wer du bist.
Menschen, die wirr vor sich hinmurmeln. Die sich entblößen, Stimmen hören: Die Psychiatriestation des Klinikums Salzburg-Nord ist auf besonders schwere Fälle spezialisiert. Als einer der Ärzte ermordet in einem Untersuchungsraum gefunden wird, muss die Ermittlerin Beatrice Kaspary versuchen, Informationen aus den Patienten herauszulocken. Aus traumatisierten Seelen, die in ihrer eigenen Welt leben. Und nach eigenen Regeln spielen.
Als ich erfuhr, dass ein neuer Thriller von Ursula Poznanski erscheint, habe ich mich einerseits riesig gefreut. „Fünf“ hat mir damals super gut gefallen. Andererseits war ich aber auch skeptisch, denn „Blinde Vögel“ hat mir überhaupt nicht gefallen. „Stimmen“ war nun gewissermaßen das Zünglein an der Waage, ob es sich lohnt, Ursula Poznanskis Thrillern treu zu beiben.
Um das schon mal vorweg zu nehmen: ja, ich werde ihnen treu bleiben!
Denn „Stimmen“ hat mir wieder richtig gut gefallen! Mit einer Psychiatrie als hauptsächlichem Schauplatz macht ein Thriller bei mir fast nie etwas falsch. Das hängt vermutlich mit den oft schauerlichen Darstellungen dieser Orte zusammen, wie man sie in vielen Gruselfilmen etc antrifft. Sowas hat für mich seit je her seinen Reiz. Und daran ändert sich auch nichts, wenn eine Psychiatrie wie in diesem Thriller so ganz anders beschrieben wird. Ganz ohne solche Effektheischerei nämlich. Eben als eine Klinik, in der Menschen leben, die aufgrund schrecklicher Erlebnisse in der Vergangenheit, seelischen Schaden genommen haben. Obwohl ich gegen etwas Effektheischerei nichts gehabt hätte, fand ich das so wirklich gut.
Die Geschichte braucht so etwas nämlich nicht um spannend oder schaurig zu sein. Das gelingt ihr auf anderen Wegen, die mindestens genauso gut wirken. Um zu schaudern muss man sich das Leben der Psychiatriepatienten nur mal richtig vorstellen. Das reicht dann schon. Was sie erlebt haben, wünsche ich niemandem. Das sollte als Gruselfaktor alleine schon reichen.
Ihre Spannung zieht die Geschichte für mich vor allem wieder aus der Ermittlungsarbeit von Beatrice und Florin. Genau wie bei „Fünf“ hat mir hier wieder diese kleinschrittige Darstellung der Ermittlungen gefallen. Das ist erstens interessant und wirkt zweitens wesentlich realistisch als wenn die beiden den Fall im Nullkommanichts und ohne Probleme oder Rückschläge lösen würden. Auf diese kleinschrittige und genaue Weise dagegen kann man prima mitknobeln. Und durch besagte Rückschläge oder auch stockende Ermittlungen, kommt zusätzlich Spannung auf. Und natürlich auch durch die Frage nach dem Täter, klar.
Toll fand ich es außerdem, dass bei Beatrice und Florin endlich mal etwas ins Rollen kommt. Mehr möchte ich an dieser Stelle aber nicht verraten.
Soweit klingt das ales ganz positiv und ja, mir hat „Stimmen“ wirklich sehr gut gefallen. Ein paar Bedenken hatte ich beim Lesen aber doch (und auch jetzt habe ich die noch). So gut ich die Idee finde, wie gewisse Patienten mit Beatrice kommunizieren, ich habe mich doch gefragt, ob man da als Polizistin wirklich drauf kommen kann. Glücklicherweise fällt Beatrice das alles andere als leicht bzw früh auf und auch als sie es endlich begreift, versteht sie es nicht wirklich, aber immerhin kommt sie doch auf diese Idee. Beeindruckend. Nicht dass ich Beatrice für dumm halte (ganz im Gegenteil!), aber das ist schon eine Leistung zu der ich nur sagen kann: wow! Daher erschien mir die Idee ab und zu doch etwas weit hergeholt. So gut sie auch ist.
Außerdem bin ich bei den Ärzten immer mal wieder durcheinander gekommen, was mich gestört hat. Wenn ich bei gewissen Figuren in der Geschichte keinen Überblick habe, spricht das immer dafür, dass die Charaktere für mich zu wenig Markantes an sich haben. Das traf hier dann wohl auf die Ärzte zu.
Ich habe das Buch an zwei Abenden ausgelesen. Hätte ich mich am ersten Abend nicht zum Pausieren gezwungen, weil ich am nächsten Tag früh rausmusste, hätte ich es in einem Rutsch gelesen. Sehr viele Dialoge machen das Lesen wunderbar leicht. So fliegen die Seiten nur so dahin. Zudem sind die Kapitel genau richtig lang um dem „ach eins noch“-Teufelskreis zu verfallen. Außerdem enden sie durchweg mit einem solchen Cliffhanger, dass man einfach weiterlesen muss.
Der Rabe gehört inzwischen einfach zu Ursula Poznanskis Thrillern. Er ist auf jedem Cover zu sehen, auch hier bei „Stimmen“. Ein Vogel, der irgendwie immer ein bisschen für Unheil steht. Was könnte besser zu einem Thriller passen? Das Fenster macht neugierig darauf, was es damit auf sich hat. Für mich passt es außerdem gut zu dem Bild von einer Psychiatrie, das man so im Kopf hat.
Fazit: „Stimmen“ hat mir wieder sehr gut gefallen! Ein von Anfang bis zum Ende spannender Thriller, der an einem Schauplatz spielt, der ideal für dieses Genre ist. Ihre Spannung bezieht die Geschichte vor allem durch Beatrices und Florins Ermittlungen, die anschaulich, kleinschrittig und dadurch realistisch dargestellt sind. Da kann man leicht mitknobeln. Die Idee, wie eine Patientin mit Beatrice kommuniziert, ist wirklich klasse! Trotzdem weiß ich nicht, ob es realistisch ist, dass das jemand durchschaut. Aber das fällt für mich nicht wirklich ins Gewicht. Beatrice ist halt echt clever und es ist keineswegs so, dass sie die Sache im Nu durchschaut und sie ihr bei dem Fall den absoluten Durchblick verschafft.
Titel: Stimmen
Autor: Ursula Poznanski
Seiten: 448
Verlag: Wunderlich by Rowohlt
ISBN: 978-3805250627
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