Mit seinem Tanz durch den Supermarkt hat Friedrich Liechtenstein im Internet über 20 Millionen Klicks erreicht. »Supergeil« wurde zum Schlagwort der Stunde. Bis hin zur internationalen Presse wie der New York Times und dem Guardian beschäftigt sich die Welt mit Friedrich Liechtenstein. Der vielschichtige Künstler ist Schauspieler, Musiker, professioneller Flaneur und Utopist. Aber wer ist er wirklich? Zum ersten Mal erzählt »Deutschlands berühmtester Eremit« (Die Zeit) sein Leben: von der Zeit, als er sich ohne festes Engagement durchs Leben schlug und von Billigquark auf der Schrippe lebte, über den sagenhaften Erfolg, der mit »Supergeil« über ihn kam, bis hin zu seiner Selbstfindung als Künstler und Mensch. »Die Armut, in der ich lebte, hat mich angstfrei gemacht. Und aus diesem Gefühl entsteht meine Kunst.«
Zugegeben, als ich das Cover sah, wusste ich mit dem bärtigen Herren nichts anzufangen. Der Name sagte mir auch nichts. Erst der Hinweis im Klappentext brachte die Erleuchtung, denn den EDEKA-Spot mit Friedrich Liechtenstein kenne ich natürlich schon. Und damit ich mal ein eine Biographie lese, braucht es schon eine irgendwie ungewöhnlichen Figur. Eigentlich interessiere ich mich für Biographien nämlich herzlich wenig.
Aber Friedrich Liechtenstein fiel in mein Schema, also habe ich mir das Buch geschnappt.
Ich muss allerdings sagen, dass die Begeisterung ausblieb. Natürlich hat Friedrich Liechtenstein ein recht ungewöhnliches Leben geführt. Und es ist auch nicht wirklich uninteressant, davon zu lesen. Aber vom Hocker hat es mich nicht gerissen. Das hatte anfangs damit zu tun, dass mein Interesse an der ehemaligen DDR nicht allzu groß ist, aber auch später als Liechtenstein auch in den Westen konnte, passierte nichts, was mich so richtig fesselte. Ich habe es zwar lange bewundert, wie er mit seiner „Kunst“ durch das Leben kam (heute kann man sich das gar nicht mehr vorstellen), aber fortlaufend über Puppentheater und irgendwelche seltsamen Bühnenstücke zu lesen, die kein Mensch kennt, ist der Spannung nicht eben förderlich. Außerdem hatte ich den Part um den EDEKA-Spot als ausführlicher eingeschätzt. Und dass man früh darauf zu sprechen kommen würde. Denn immerhin ist das ja wohl das, was die meisten Leser von diesem Mann kennen. Doch das wird erst gegen Ende zu Thema. Einerseits ist das logisch, denn so lange ist es noch nicht her. Andererseits zieht sich die Erzählung bis dahin immens. Und nichts zuvor ist auch nur annähernd so witzig und schräg.
Erschwerend kam noch hinzu, dass mir Liechtenstein mit seiner Haltung zu seiner Kunst und dem Leben bzw dessen Finanzierung beim besten Willen nicht sympathisch werden wollte. Genau genommen kann man das zusammenfassen mit „Ich möchte nichts anderes machen als meine Kunst und davon gut leben können. Idealerweise muss ich dafür nichts tun. Am besten habe ich immer genug Leute um mich herum, die mir alle eventuellen Schwierigkeiten abnehmen und unliebsame Aufgaben übernehmen. Und warum? Weil ich mich schon bei meiner Geburt nicht anstrengen musste, sondern per Kaiserschnitt das Licht der Welt erblickte. Ich bin also quasi von klein auf darauf gepolt, dass andere die anstrengenden Dinge für mich übernehmen.“
Aber sonst geht’s noch, oder wie? Das ist eine Haltung, mit der ich absolut gar nichts anfangen kann. Und ich habe mir alle naselang an den Kopf gefasst, was Liechtenstein dafür hingenommen hat, um genau mit dieser Haltung sein Leben zu meistern. Vielleicht gibt es Menschen, die ihn dafür bewundern. Die es beeindruckend finden, dass er lieber auf einer Feuertreppe lebt als mit etwas anderem als seiner Kunst Geld zu verdienen um sich wenigstens ein Zimmer leisten zu können. Aber ich gehöre eindeutig nicht zu diesen Menschen. Ich finde das einfach nur verrückt, aber nicht im positiven Sinne. Und es hat für mich auch ein Maß an Arroganz an sich, das meine Toleranz bei Weitem übersteigt.
Als letztes sei noch gesagt, dass das Buch auch kein Stück lustig ist. Nach dem witzigen EDEKA-Spot hatte ich damit schon gerechnet. Aber nichts. Ich habe nicht einmal geschmunzelt geschweige denn, dass ich gelacht hätte. Ein Funken Humor macht mir bei vielen Büchern das Lesen leichter. Das hätte diesem Buch gut zu Gesicht gestanden, weil es sich recht anstrengend liest.
Dass es sich so anstrengend liest, lag für mich vor allem daran, dass es kaum mal Dialoge gibt. Ich meine, selbst ein Herr Liechtenstein muss doch mal Gespräche geführt haben!? Das macht den Text alleine optisch schon sehr wuchtig. Hinzu kommt eine teils lockere, teils aber auch umständliche Erzählweise. Die liegt vor allem an den wunderlichen Blickwinklen, die Liechtenstein auf viele Dinge des Lebens hat. Er schildert sie, wie er sie sieht. Und das sind Bilder, mit denen nicht jeder etwas anfangen kann. Das hat es mir recht schwer gemacht. Das haben auch die Bilder nicht auflockern können, die sich ab und zu im Buch finden.
Auf dem Cover sieht man natürlich Friedrich Liechtenstein. Dekadent in Szene gesetzt im Anzug und mit golden verspiegelter Sonnenbrille. Und in Denkerpose, damit der Betrachter ein wenig Tiefgang vom Buch erwartet. So jedenfalls ging es mir bei diesem Anblick. Hatte ich schon erwähnt, dass ich selbstverliebte Menschen nicht mag? Ich hätte es besser wissen müssen.
Fazit: Leider war das Buch für mich eine Enttäuschung. Fortan werde ich wohl noch vorsichtiger sein bei Biographien als bisher schon. Ich habe Liechtensteins Leben als wenig interessant und überhaupt nicht aufregend empfunden. Und nichts darin ist auch nur ansatzweise so amüsant wie der EDEKA-Spot. Zudem ihn hat mir seine Haltung und Einstellung zu gewissen Dingen des Lebens schlichtweg unsympathisch gemacht.
Titel: super: Mein Leben
Autor: Friedrich Liechtenstein
Seiten: 277
Verlag: Piper
ISBN: 978-3492056663
Preis: 19,99 (HC)
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