Jan 23 2015

Rezension – Bevor er es wieder tut (Kristina Dunker)

bevorerwiederEigentlich wollte Johanna den Sommer dazu nutzen, endlich zu vergessen. Doch dann liest sie von der vierzehnjährigen Kim, die zwei Tage verschwunden war und fast nicht überlebt hätte – und Johanna weiß: Will sie verhindern, dass der Täter sich weitere Opfer sucht, so muss sie endlich ihr Schweigen über das, was letzten Sommer geschehen ist, brechen.

Wie es der Titel schon erahnen lässt, dreht sich in dieser Geschichte alles um ein sehr ernstes Thema. Ich finde sogar, dass man sofort weiß, um welches Thema, auch wenn der Titel sich nicht festlegt. Es geht um den Missbrauch junger Mädchen.
Das Buch beginnt mit dem Handlungsstrang um Kim, die auf ihrer Zeitungstour ist. Alleine und in einer Gegend, die ihr nicht geheuer ist. Das und die düstere Atmosphäre, die über dem Geschehen liegt, lässt einen schnell befürchten, was geschehen wird.
Doch Kim ist nicht die zentrale Figur. Das ist Johanna, die das, was Kim erleben wird, bereits hinter sich hat und sich mal schlecht, mal recht zurück in ein neues Leben kämpft bzw kämpfen will. Als sie erfährt, dass wieder ein Mädchen verschwunden ist, vermutet sie auf Anhieb den gleichen Täter dahinter.
Gemeinsam mit dem Jungen Vincent, der Kim nach der Tat findet, versucht sie, den Täter zu erwischen.
Das klingt hier jetzt sehr leicht, doch natürlich ist es das für Johanna keineswegs. Sich dem Geschehen ein Jahr zuvor zu stellen, das fällt ihr immens schwer. Ich finde, ihre Zerrissenheit kommt deutlich rüber. Einerseits möchte sie den Täter gerne hinter Gittern bringen und gibt sich ehrlich Mühe, bei der Suche zu helfen, andererseits holen sie ihre Erlebnisse immer wieder ein und sie schlägt -bildlich gsprochen- um sich, weil sie damit nichts mehr zu tun haben möchte. Sicher kann das niemand hundertprozentig verstehen, der nicht in einer solchen Situation war, aber da Johanna ihre gelegentliche Widerborstigkeit Vincent gegenüber erklärt, kann man es zumindest gut nachvollziehen. Es muss schlimm sein, in diesem Zwiespalt zu stecken. Und sicher führt er leicht zu extremen Situationen, wie zB der, in der sie und Vincent sich kennenlernen.
Dennoch fand ich Johanna wirklich sehr mutig, denn sie traut sich nach und nach doch immer etwas mehr (zu) und das ist einfach bewundernswert. Es sind kleine Schritte (ich hätte mir auch an die Stirn getippt, wenn sie plötzlich alles hinter sich gelassen hätte und die große Heldin geworden wäre), aber sie geht sie mit viel Mut und einer gehörigen Portion Willenskraft und Hoffnung, wieder ein einigermaßen normales Leben führen zu können.
An ihrer Seite ist Vincent, ein auffällig vernünftiger und verständiger Junge. Ein Polizist ist er nicht, dafür aber verliebt in Johanna und besessen von der Idee, den Kerl dranzukriegen, der ihr das angetan hat.
Johannas Zerrissenheit und die Tatsache, dass Vincent natürlich von Ermittlungen und Nachforschungen keine Ahnung hat, machen die Aufklärung des Falls nicht leicht. Daraus bezieht die Geschichte den Großteil ihrer Spannung. Mal geht es einen oder zwei Schritte voran, dann macht Johanna zu oder Vincent ist mal beleidigt, und schon müssen sie Pause machen bis sie wieder auf dem Damm sind. Das ist für mich angenehm realistisch, denn sie sind ja tatsächlich „nur“ zwei Teenager, keine Kommissare.
Für Spannung sorgte bei mir außerdem die Frage, was genau mit Johanna geschehen ist. Wie ist sie an den Kerl geraten? Wie ist es zu der Tat gekommen. Und wie ist es ihr gelungen, ihm zu entkommen? Diese Fragen werden erst nach und nach über die ganze Geschichte verteilt beantwortet. Zum Beispiel in kurzen Erinnerungsblitzen von Johanna, gelegentlich auch mal in längeren Passagen der Erinnerung. Aber so richtig komplett bekommt man sie erst sehr spät beantwortet.
Obwohl der Geschichte ein sehr ernstes Thema zugrunde liegt, ist sie oft unterhaltsam, manchmal sogar lustig. Johanna und Vincent sind wahrlich nicht auf den Mund gefallen und über ihre Dialoge habe ich oft grinsen müssen. Und auch die Liebesgeschichte um die beiden ist wirklich schön. Dezent, denn natürlich fällt es Johanna alles andere als leicht, sich auf einen Jungen einzulassen, aber eben deshalb so richtig schön und einfühlsam.
Diese Geschichte behandelt ein ernstes Thema. Wenn ich Bücher mit solch einem Thema lese, gehe ich immer davon aus, dass es dem Leser etwas mitteilen möchte. Nachdem ich „Bevor er es wieder tut“ gelesen hatte, habe ich mich gefragt, was diese Geschichte mir mitteilen möchte, aber ich habe keine eindeutige Antwort gefunden.
Ich denke, die Geschichte möchte jedem Leser etwas an die Hand geben.
Betroffenen Mädchen, dass sie trotz allen Grauens mutig sein sollten, um die Täter dranzukriegen.
Mädchen, die noch nicht in einer solchen Situation steckten, dass sie auf ihr Bauchgefühl hören und möglichst nicht alleine unterwegs ein sollten.
Freunden und Angehörigen, dass sie für das oft vielleicht unlogisch wirkende Verhalten, für Panikattacken oder auch Insichgekehrtsein bei betroffenen Mädchen Verständnis haben und die nötige Geduld aufbringen sollten.
Und wer das Buch einfach in Erwartung eines Krimis / Thrillers kauft und auf die Thematik gar nicht vorbereitet ist, den wird die Geschichte immerhin noch aufmerksam auf das Thema und seine Umwelt machen.
Insgesamt finde ich das so sogar noch besser als wenn es nur eine Botschaft gegeben hätte. Aus „Bevor er es wieder tut“ wird sich jeder etwas mitnehmen können.

Die Geschichte ist überraschend locker geschrieben, hinterlässt aber auch so ihre Spuren. So oft ich grinsen musste, wenn Johanna und Vincent diskutieren, so oft war ich auch betroffen und schockiert, was solche Typen den Mädchen antun. Es ist also nicht so, dass die Story das auf die leichte Schulter nimmt, sie ist schon durchaus eindringlich. Speziell Dialoge lockern hier auf und auch der Wechsel zwischen den Figuren hilft dem Lesetempo auf die Sprünge. Die meisten Kapitel gehören abwechselnd Johanna und Vincent, es gibt aber auch einige, die von anderen Mädchen handeln.

Das Cover ist recht schlicht gehalten, gibt aber gut den Kern der Geschichte wieder. Ein Mädchen auf der Flucht in einer einsamen Gegend. Ich mag außerdem die Farben sehr gerne. Kräftig, aber doch düster.

Fazit:  Spannend wie ein Krimi oder Thriller, unterhaltsam wie ein Jugendroman und schön wie eine Liebesgeschichte und dabei gleichzeitig doch so ernsthaft und erschreckend. Für mein Empfinden wird die Situation solcher Mädchen wie Johanna hier eindringlich und authentisch beschrieben. Nicht vom Tisch eines Therapeuten aus, sondern aus zwischenmenschlicher Sicht. So kann jeder Leser etwas damit anfangen und sich etwas daraus mitnehmen.


Titel: Bevor er es wieder tut
Autor: Kristina Dunker
Seiten: 254
Verlag: dtv
ISBN: 978-3423782814
Preis: 8,95 (TB)

2 Kommentare

  1. Das Buch unterhält nicht nur wie ein Jugendroman, sondern es ist auch einer. Ohne im Detail zu beschreiben, was überhaupt passiert ist, kann die Autorin die Spannung aufrecht erhalten und packt obendrein noch eine Liebesgeschichte dazu.

  2. Die Geschichte ist glaubwürdig geschrieben und verspricht von Anfang an Spannung. Mit einer Liebesgeschichte ist der Roman für junge Mädchen genau das Richtige!

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