Mitten in der Nacht wird Kriminalhauptkommissar Kirchenberg zum Schauplatz eines Mordes gerufen: eine junge Frau wurde missbraucht und erstochen. Da die Mitbewohnerin eine genaue Täterbeschreibung liefern kann, ist der Hauptverdächtige schnell gefunden. Aber der erfahrene Kirchenberg gibt sich mit allzu einfachen Erklärungen nicht zufrieden.
Dieses Buch habe ich mir anlässlich der Lesung von Norbert Horst hier in Herford gekauft. Da man mit einem Krimi bei mir nur sehr, sehr selten etwas falsch macht, war es mir dieses Risiko wert. Nach der Lesung wurde ich vom Autoren darauf hingewiesen, dass diese Krimi aber eben doch etwas anders sei als andere Krimis. Und dass man sich darauf einlassen können muss.
Nun gut, so leicht lasse ich mich nicht ins Bockshorn jagen. Der Fall klang von Anfang an ganz vielversprechend. Eine junge Frau wird erstochen und missbraucht in ihrem Zimmer aufgefunden. Natürlich gilt es die Frage zu klären, wer der Täter ist und welches Motiv hinter der Tat steckt. Das ließ mich schnell auf einen spannenden Krimi hoffen.
Nun ist da aber eben doch dieses Besondere an dem Krimi. Nämlich die Tatsache, dass es in der Form des „Stream of consciousness“ geschrieben ist. Und auch wenn es ich wörtlich übersetzen konnte, so habe ich den Begriff doch erstmal fix gegoogelt. Danach -und nach den ersten Seiten- habe ich es für mich sinngemäß damit übersetzt, dass hier wirklich alles niedergeschrieben ist, was Kriminalhauptkommissar Kirchenberg im Verlauf des Falles so in den Kopf kommt. Spontan, ungeschönt und ohne Rücksicht darauf, wie ein Satz aufgebaut sein sollte.
Das lässt einerseits häufig durchblicken, dass Kirchenberger ein echt helles Köpfchen und ein wirklich guter Kommissar ist. Mit seinen Hinweisen und Erkenntnissen gibt er dem Leser auch Gelegenheit, selber Vermutungen anzustellen. Das hat mir gefallen.
Andererseits kommt wohl niemand von der Arbeit nach Hause und beschäftigt sich auch dort weiterhin mit den Problemen, die ihn im Job vielleicht beschäftigen und martern. Das ist normal und es sollte auch so sein, dass man nach der Arbeit und in Pausen abschalten kann. Kirchenberger geht es ebenfalls so. Ihm gelingt es sogar, zwischendurch mal abzuschalten und sich Privatem zuzuwenden. Allerdings rückte für mich dabei jedes Mal der Fall stark in den Hintergrund. Insgesamt blieb bei mir deshalb ein etwas zerrissener Eindruck vom Krimi zurück. Quasi wie gestreute Krimielemente in einer Menge Drumherum, bestehend aus Kirchenbergers Privatleben und seinen abschweifenden Gedanken.
Und die haben mich teilweise wirklich verblüfft. Vor allem, wenn es um sein bevorzugtes Frauenbild geht. An alle Mädels, die vielleicht nicht ganz so schlank sind und nicht so viel vom Rasieren / Epilieren halten: Kirchenberger ist euer Mann! Eigentlich gar keine so üble Vorstellung, dass es auch Männer gibt, die nicht auf Frauen mit Modelqualitäten stehen.
Hinzu kam noch, dass sich der Fall recht langsam entwickelt. Oft bestehen die Nachforschungen darin, noch so kleine Hinweise zu überprüfen und selbst das Unmöglichste in Erwägung zu ziehen. Danach steht die x-te Besprechung im Kreise der Mordkommission an, in der oft genug auch nichts wirklich Erhellendes ans Tageslicht kommt. Und selbst zur finalen Erleuchtung führt an sich ein vergleichsweise kleines Detail bzw ein ziemlicher Zufall.
Norbert Horst ist selbst Kriminalkommissar. Daher nehme ich es ihm sofort ab, dass Polizeiarbeit häufig genau so aussieht, und nicht wie es uns zB der „Tatort“ verkaufen will. Glaubhaft ist es daher ganz sicher. Ich stelle es mir allerdings auch recht mühsam und frustrierend vor. Und dieses Mühsame hat sich auf mich in dem Sinne übertragen, dass ich es anstrengend fand, den Fall die ganze Zeit im Auge zu behalten. Wie oben schon geschrieben, ist mir das nicht so ganz gelungen.
Erst als es auf das Finale zugeht, hat selbst Krichenberger keine graue Zelle mehr für andere Dinge frei als dafür, den Mörder zu erwischen. Und damit endete die Geschichte für mich immerhin absolut krimiwürdig, spannend und rasant. Keine Chance zum Durchatmen und schon gar nicht dafür, das Buch aus der Hand zu legen. Dieser Teil hat mich wirklich mitgerissen.
An den Schreibstil muss man sich erst gewöhnen. Jedenfalls ging es mir so. Aber lange hat es nicht gedauert, dann war ich drin. So ließ sich das Buch gut und zügig lesen. Es hat auch seine Vorteile, eine Geschichte in einer Form zu lesen, die so geschrieben ist wie dem Erzähler der Schnabel gewachsen ist. Gedankensprünge kennt sicher jeder von sich selbst. Daher schafft es eine gewisse Nähe zu Kirchenberger.
Das Cover wirkt einem Krimi entsprechend düster mit den Blau- und Grautönen und den Lichtspielereien.
Fazit: „Leichensache“ liegt ein interessanter und spannender Fall zugrunde, den ich aber durch Kirchenbergers oft abschweifende Gedanken mehrmals aus den Augen verloren habe. So ist bei mir davon kein allzu griffiges Bild zurückgeblieben. Natürlich ist es sicher realistisch, dass sich auch bei einem Kommissar nicht 24 Stunden am Tag die Gedanken um den Fall drehen, aber mich hat das teilweise zu sehr abgelenkt. Erst zum Ende hin kam richtig Spannung und Tempo in die Story, weshalb ich das Buch ab da nicht mehr aus der Hand legen konnte. Das hat etwas Boden gutgemacht. An den Schreibstil gewöhnt man sich recht schnell, also einfach mal trauen 😉
Titel: Leichensache
Autor: Norbert Horst
Seiten: 284
Verlag: Goldmann Verlag
ISBN: 978-3442452309
Preis: 7,90 (TB)
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