Vor dem Tod sind alle gleich. So hat sich Luka Kroczek seinen ersten Arbeitstag als Leiter der Kripo Bergen nicht vorgestellt: Er kommt viel zu spät, seine kleine Tochter Tilda muss mangels Kindergartenplatz mit ins Büro, die neue Kollegin Conny Böhme empfängt ihn alles andere als herzlich. Und dann muss Luka, der sich nur seiner Lebensgefährtin zuliebe von Düsseldorf nach Rügen beworben hat, auch gleich zu seinem ersten Einsatz. In einem alten Fischerhaus wurde eine Leiche gefunden. Wer hat die Frau derart übel zugerichtet? Hat das Verbrechen mit ihrem Mann zu tun, einem allseits unbeliebten Immobilienspekulanten und Wendegewinner? Luka macht sich an die Ermittlungen. Und erkennt schnell: Auf Rügen wird nichts so schnell vergeben und vergessen.
Bei diesem Krimi machte mich der Titel neugierig. Außerdem war ich in Krimis schon oft an der Nordsee zu Gast, aber kaum mal an der Ostsee. Das sollte sich nun ändern.
Auf den Mord muss man nicht lange warten, der geschieht gleich im ersten Kapitel, sodass man den Ermittlern schon mal ein Stück weit voraus ist. So erfährt man immerhin, dass das Opfer seinen Mörder kannte.
Kriminalkommissar Luka Kroczek ist seiner Lebensgefährtin zuliebe mit nach Rügen gezogen. Sein Dienstantritt bei der Kripo dort verläuft alles andere als glücklich. Manche neiden ihm den Posten, andere halten ihn schlichtweg für einen arroganten „Wessi“. Prompt lässt man ihn auflaufen. Mir hat sehr gut gefallen, wie Luka damit umgeht. Zwar spielt er gelegentlich mit dem Gedanken, wieder nach Düsseldorf zurückzukehren, aber wirklich vor hat er es nicht. Das entspricht nicht seinem Wesen, das ich ausgesprochen sympathisch fand. Ich finde es nur berechtigt, wenn ein Chef -wenn es nötig ist- genau das auch mal klar und deutlich herauskehrt und seine Ideen durchsetzt. Dafür ist Luka nun mal Vorgesetzter. Und schnell wird deutlich, dass er dennoch kein Unmensch ist und durchaus ein Auge auf das Privatleben seiner Mitarbeiter hat. Wenn die Ermittlungen flüssig laufen, man gut zusammenarbeitet und sich an seine Anweisungen hält, dann ist er absolut fair.
Genauso gerne mochte ich Lukas Kollegin Conny mit ihrer überaus direkten Art, dem cleveren Köpfchen, ihrer Abneigung allem „Weiberkram“ gegenüber und den beiden Töchtern, die sie ganz schön fordern. Für mich war sie das ideale Gegenstück zu dem aufgeräumten und vernünftigen Luka. Ich habe oft über ihre Sprüche und die Dialoge zwischen den beiden schmunzeln müssen. Außerdem ist sie gewissermaßen Lukas Sprachrohr zu den Einheimischen, die dem Düsseldorfer meist etwas verhalten begegnen. So ganz ist der Ost-West-Gedanke offenbar doch noch nicht aus den Köpfen verschwunden, das merkt man hier und da ganz deutlich. Ich denke, dass das auch tatsächlich noch so ist. Zum Glück wird genau darauf nicht allzu intensiv eingegangen. Bei einem Crashkurs in Sachen DDR-Geschichte hätte ich „Möwenfraß“ im Nu zugeklappt und auf Nimmerwiedersehen beiseite gelegt.
Die Ermittlungen um den Mord an Peggy Lenz fand ich sehr spannend. Vor allem, weil es zwar eine ganze Reihe Verdächtiger gibt, es aber nicht so viele sind, dass man den Überblick verliert. Das geht bei mir leider sehr schnell, wenn Charaktere nichts wirklich Markantes an sich haben. Hier hatten alle Verdächtigen markante Eigenschaften oder Wesenszüge. So konnte ich mir jeden gut merken und leicht miträtseln, wer als Mörder infrage kommen könnte. Dummerweise hat jeder mindestens ein gutes Motiv, da muss man also genauer hinschauen und das hat mir richtig Spass gemacht. Ein weitere Grund dafür, dass niemals Langeweile aufkommt ist, dass in wirklich jedem Kapitel etwas passiert, was einen bei Laune hält. Die meisten Kapitel enden mit einem hundsgemeinen Cliffhanger, der einen zum Weiterlesen verleitet. Und natürlich erhält man mit jedem Vorfall ein neues Puzzleteilchen im Mordfall.
Ich war bereits mal auf Rügen, doch das ist schon sehr lange her. Daran erinnere ich mich gar nicht mehr so richtig. Nach „Möwenfraß“ möchte ich gerne mal wieder dorthin und ein paar bestimmte Ecken besuchen. Zwar ist Rügen nicht mein Traumziel überhaupt, aber ich finde es immer schön, wenn mir ein Buch Lust auf eine Gegend macht.
Besagte Cliffhanger an den Kapitelenden haben auch mich dazu gebracht, das Buch an nur zwei Abenden auszulesen. Ich wollte immer wissen, wie es weitergeht und weiterkniffeln. Die Kapitel sind weder zu kurz, noch zu lang. So kommt man mit jedem ein gutes Stück voran in der Geschichte.
Das Cover zeigt die Seebrücke Sellin, eines der Wahrzeichen vom Rügen. Mir gefällt speziell der Stil, dieses Negativbild, oder wie man das fachmännisch nennt. Das leuchtet, vor allem mit dem Gelb als Kontrast, und ist ein Hingucker, der auf das Buch aufmerksam macht.
Fazit: „Möwenfraß“ hat mir sehr gut gefallen! Ein sehr spannender Krimi, bei dem man ganz toll mitknobeln kann. Luka Kroczek ist ein ausgesprochen sympathischer Ermittler. Und das Original Conny an seiner Seite sorgt für Würze und manchen Lacher. Die beiden sind ein klasse Team. Ich würde gerne mal wieder einen Krimi mit ihnen lesen.
Titel: Möwenfraß – Ein Ostsee-Krimi
Autor: Klara Holm
Seiten: 314
Verlag: Rowohlt
ISBN: 978-3499266942
Preis: 9,99 (TB)
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