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Jul 22

Rezension – Seefeuer (Elisabeth Herrmann)

seefeuerklMarie Vosskamp kann nicht fassen, welchen Freund sich ihre Mutter nach dem Tod ihres Vaters zugelegt hat! Kein Stück traut sie Magnus, der in Windeseile das Kommando über das Vosskamp´sche Familienunternehmen übernimmt – und ihre Mutter auch noch heiraten will! Marie haut ab, um endlich ihre Träume zu verwirklichen, nach Friedrichskoog an die Nordsee, wo sie mit einem begehrten Praktikum ihrem Wunsch, Meeresbiologin zu werden, ein bisschen näher kommt. Dort lernt sie auch den attraktiven Vince kennen, der sich als Schatzsucher für das alte Schiffswrack der Trinity interessiert, das vor der Küste aufgetaucht ist. Mit der Trinity, die in den 50er Jahren in einem schrecklichen Unglück gesunken ist, heben sich dunkle Geheimnisse, die viel mehr mit Marie zu tun haben, als sie sich je hätte vorstellen können. Geheimnisse, die manche lüften und andere um jeden Preis verbergen wollen.

Auf diesen neuen Jugendthriller hatte ich mich riesig gefreut. Elisabeth Herrmann ist es noch mit jedem ihrer Jugendthriller gelungen, dass ich nach dem Lesen an die Schauplätze reisen wollte. Da war ich gespannt, ob das auch „Seefeuer“ gelingen würde.
Anfangs sah es ganz danach aus. Die burschikose Marie mochte ich sehr schnell und ich habe sie für ihre Arbeit auf der Seehundstation bewundert. Dabei bleibt es natürlich nicht aus, dass man auch auf die Nordsee hinausschippert. Außerdem klingt oft heraus, wie sehr Marie die See liebt. Da hat man beim Lesen quasi den salzigen Geruch der Nordsee in der Nase und spürt den Seewind im Gesicht. Genau so wünsche ich es mir von Elisabeth Herrmanns Jugendthrillern. Entsprechend zufrieden war ich zunächst. Und ja, ein Ausflug an die See könnte mir in nicht allzu ferner Zukunft gefallen.
Als das Schiff der Seehundstation mit einem Metallteil eines vor mehreren Jahrzehnten Frachters kollidiert, kommt nicht nur dieses Teil an die Wasseroberfläche, sondern auch einige Rätsel und Geheimnisse aus Maries Familienleben. Das fordert Marie schon deshalb besonders, weil mit ihrer Familie so manches im Argen liegt. Ihr Vater ist vor Jahren verstorben, die Mutter ist Künstlerin, die die Realität meistens ausblendet, und ihr neuer Freund scheint nichts Gutes im Schilde zu führen. Maries geliebte Großmutter liegt nach einem Schlaganfall im Koma. So kann Marie sich bei ihr keinen Rat holen, und das, obwohl ausgerechnet die Großmutter eine wichtige Rolle zu spielen scheint. Als Marie sich plötzlich Übergriffen auf sich, das Haus und ihre Familie ausgesetzt sieht, geht die der Frage nach, in welchem Zusammenhang sie bzw ihre Familie mit dem gesunkenen Frachter steht.
Ich habe dabei geraume Zeit gerne mitgerätselt, wer hinter den Angriffen stecken könnte und wieso. Vieles sprach für den Freund ihrer Mutter, aber irgendwie glaubte ich es nicht. Dann hatte ich Maries Kollegen im Verdacht, doch wieso sollten sie? Solches Rätseln macht mir immer viel Spass.
Allerdings kippte die Geschichte für mich wenig später in gewisser Hinsicht. Lange Zeit ist sie schön übersichtlich, doch bei ihren Nachforschungen muss sich Marie auch der Vergangenheit ihrer Familie stellen. So werden Charaktere von damals wichtig, zu den Verstrickungen in der Firma der Familie im Heute kommen noch Verstrickungen von früher hinzu, die heute wieder wichtig sind, und mit der Besatzung des Bergungsschiffs mischt nochmal ein ganzer Schwung neuer Figuren mit. Ich wusste zwar immer, um wen es ging, wenn ich einen Namen las, aber ich hatte nicht immer genau auf dem Schirm, was diejenige Person vielleicht mit Marie oder ihrer Familie zu tun hat oder welche Verbindungen es von ihr aus in die Vergangenheit gibt bzw geben könnte. Das hat sicher auch ein ganz kleines bisschen damit zu tun, dass bei mir sofort die Klappe fällt, wenn eine Geschichte die Nazizeit antippt. Aber hauptsächlich waren es mir zum Ende hin zu viele Figuren und Zusammenhänge.
Auch mit Marie habe ich mich zu diesem Zeitpunkt plötzlich schwer getan. Einfach, weil ich ihre Ansicht nicht teilen konnte, dass ein gesunkenes Schiff ein Grab ist, das niemand anrühren darf.  Und auf diesem Argument reitet Marie alle naselang herum. Das fand ich auch irgendwie egoistisch von ihr. Ja, Menschen aus ihrer Familie sind mit dem Frachter gesunken, aber trotzdem! Sicher hat nicht jeder im ihrem Umfald lautere Absichten mit der vermutlich wertvollen Fracht, aber beispielsweise die Bergungstaucher konnte ich nicht verurteilen. Sie tun letztlich nur ihren Job, und wem kann man es dabei schon übel nehmen, wenn auch eine Prise Abenteuerlust dabei ist? Nein, mit Maries radikalen Ansichten in dieser Hinsicht konnte ich mich nicht arrangieren.
Die Auflösung gefiel mir ebenfalls nur so halb. Ich mag es nicht so gerne, wenn ich einen ganzen Thriller oder Krimi geknobelt habe, wer der Täter ist, und am Ende dann erkennen muss, dass ich gar nicht darauf hätte kommen können. Spannend ist das Finale aber dennoch. Nur eben halt das Ende bzw der Täter…

Für „Lilienblut“ und „Schattengrund“ habe ich einen einzigen Abend bzw einen Tag gebraucht, dann waren die Bücher ausgelesen. Für „Seefeuer“ habe ich drei Abende gebraucht. Das hatte aber die oben genannten inhaltlichen Gründe. Lesen lässt sich „Seefeuer“ ebenso gut wie seine Vorgänger. Ich mag diesen Schreibstil, der sich so schön leicht und flüssig lesen lässt, Maries Alter entsprechend leicht jugendlich, aber doch mit der nötigen Ernsthaftigkeit. Gestört habe ich mich an den drei Fehlern, die ich gefunden habe. Der erste gleich im ersten Satz, in dem ein „den“ fehlt. Der zweite als das Schiff plötzlich „Sandrose“ statt „Seerose“ heißt. Bei dritten wird plötzlich die Mutter von Maries Großmutter erwähnt, obwohl mit Sicherheit die Großmutter selber gemeint ist. Ich bin ehrlich kein Fehlersucher und auch nicht sonderlich sensibel was das angeht. Wenn selbst mir das auffällt, dann heißt das also schon was.

Das Cover finde ich einfach nur toll. Die tosende See, der einsame Leuchtturm, der den Wellen trotzt, die Naturgewalt hinter solch einem Sturm kommt hier wirklich gut rüber. Und mit dem Rot den den sonst so düsteren Farben wirkt es auch  angemessen finster für einen Thriller.

Fazit:  Leider hat mit „Seefeuer“ nicht so gut gefallen wie seine Vorgänger. Anfangs mochte ich Marie wirklich gerne und fühlte mich an die Nordsee versetzt. Später dann vertrat Marie Ansichten, die ich so nicht teilen konnte und die auf mich auch ziemlich egoistisch wirkten. Außerdem war das schöne Nordseeflair plötzlich verschwunden. Mein größtes Problem war es aber, dass mir die Geschichte später zu komplex wurde um noch alle Charaktere und Zusammenhänge stets im Hinterkopf zu haben. Und wenn ich ein Buch lang quasi umsonst gerätselt habe, wer der Täter sein könnte, dann finde ich das auch nicht so dolle…


Titel: Seefeuer
Autor: Elisabeth Herrmann
Seiten: 414
Verlag: cbt
ISBN: 978-3570162675
Preis: 14,99 (broschiert)

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