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Mai 20

Rezension – Ich und die Menschen (Matt Haig)

ichundiemenschenIn einer regnerischen Freitagnacht wird Andrew Martin, Professor für Mathematik in Cambridge, aufgegriffen, als er nackt eine Autobahn entlangwandert. Professor Martin ist nicht mehr er selbst. Ein Wesen mit überlegener Intelligenz und von einem weit entfernten Stern hat von ihm Besitz ergriffen. Dieser neue Andrew ist nicht begeistert von seiner neuen Existenz. Er hat eine denkbar negative Meinung von den Menschen. Jeder weiß schließlich, dass sie zu Egoismus, übermäßigem Ehrgeiz und Gewalttätigkeit neigen. Doch andererseits: Kann eine Lebensform, die Dinge wie Weißwein und Erdnussbutter erfunden hat, wirklich grundschlecht und böse sein? Und was sind das für seltsame Gefühle, die ihn überkommen, wenn er Debussy hört oder Isobel, der Frau des Professors, in die Augen blickt?

Bis ich dieses Buch auf der Buchmesse zufällig entdeckte, hatte ich noch nichts davon gehört. Und das, wo mir Matt Haigs „Die Radleys“ doch so ausnehmend gut gefallen haben! Da war es natürlich keine Frage, dass ich auch „Ich und die Menschen“ lesen würde.
Für mich teilt sich die Geschichte ziemlich genau in zwei Teile. Im ersten Teil lernt man Professor Andrew Martin kennen, der nackt eine Autobahn entlang und durch die Stadt wandert. Das tut er, weil er gar nicht mehr Andrew Martin ist. Er wurde nämlich von einem Außerirdischen übernommen, der von einem weit entfernten Stern kommt und von überragender Intelligenz ist. Insbesondere Letzteres macht eigentlich klar, dass er von den Menschen nicht viel halten kann.
Tut er auch nicht! Ganz entschieden nicht! Mir hat dieser Teil der Geschichte richtig gut gefallen. Der neue Andrew Martin hat ein wunderbar feines Auge für all die kleinen Eigenarten und Schwächen, die die Menschen auszeichnen, und er bringt sie gekonnt und höchst amüsant auf den Punkt. Ich habe wirklich oft Tränen gelacht. Es ist schon etwas Besonderes, wenn man so den Spiegel vorgehalten bekommt, denn natürlich findet man sich selber hier und da auch wieder. Wenn man so etwas mit Humor nehmen kann, dann ist dieser Teil der Geschichte das reinste Vergnügen.
Doch der echte Andrew Martin hatte natürlich auch eine Familie: Frau und pubertierenden Sohn, und mit ihnen muss sich nun auch der neue Andrew Martin arrangieren. Auch das fand ich oft sehr witzig, aber ebenso oft tat er mir leid, wenn er wegen etwas aufläuft, dass er schlichtweg als Außerirdischer nicht richtig einschätzen kann. Doch nach und nach findet er sich ein und es war schön und nahezu rührend zu verfolgen, wie er eine Beziehung zu der Familie und ein paar Familienfreunden aufbaut.
Darüber hätte ich beinahe vergessen, dass der echte Andrew Martin keineswegs willkürlich übernommen wurde. Der Außerirdische hat einen klaren Auftrag, was er auf der Erde als Andrew Martin zu erledigen hat. Und das ist alles andere als erfreulich für Frau und Sohn. Zwischen den Kapiteln erinnern Gespräche zwischen dem Außeriridischen und seinen Leuten konsequent daran, doch irgendwann konnte ich mir nicht mehr vorstellen, dass er es durchziehen würde.
Etwa an diesem Punkt kam für mich der Bruch. Plötzlich war die bisherige Leichtigkeit der Geschichte fast komplett verschwunden. Gewitzte Kommentare gab es kaum noch. Natürlich ist es klar, dass es nicht mehr so lustig zugehen kann, wenn durch den Auftrag etwas so Wichtiges auf dem Spiel steht und auch von Seiten seiner außerirdischen Leute an Andrew Martin gezerrt wird, aber ganz ehrlich: ein paar Mal mehr hätte ich auch in diesem Teil gerne noch gelacht.
Dafür wird es aber wenigstens spannend, denn alsbald muss Andrew Martin einsehen, dass er keine eigene Handhabe mehr über seinen Auftrag hat. Er gerät in Lebensgefahr, und ich habe mich ehrlich gefragt, wie diese Sache noch jemals gut würde enden können.

Anfangs las sich das Buch weg wie nichts. Alleine deshalb, weil ich solchen Spass damit hatte und so über Andrew Martins Ansichten lachen musste. Die Kapitel lockten obendrein mit Titeln, die neugierig machten. Da flogen die Seiten nur so dahin. Nach besagtem „Bruch“ wurde es dann schwieriger. Die plötzliche Ernsthaftigkeit hat mein Lesetempo ganz schön ausgebremst. Und so habe ich dann doch länger für das Buch gebraucht als eingangs gedacht.

Das Cover finde ich einach wunderschön mit den tollen Blautönen, dem riesigen Erdball und darunter die schlanke Gestalt mit Schirm und Hund auf einem anderen Planeten. Das Motiv strahlt Ruhe aus und wirkt sehr stilvoll. Ein schöner Blick auf die Erde.

Fazit:  In der ersten Hälfte war ich restlos begeistert von der Geschichte, weil sie so herrlich lustig ist, dass ich mehrmals Tränen darüber gelacht habe. Die außerirdischen Ansichten über die Menschen sind ja leider oft so wahr! Und auf diese humorvolle Art lasse ich mir immer gerne den Spiegel vorhalten. In der zweiten Hälfte geht leider ein Großteil des Humors verloren, dafür wird die Geschichte hier dramatischer und spannender. Ich hätte dennoch auch hier gerne noch gelacht, wenigstens ab und zu. Deshalb lag mir dieser Teil nicht so sehr.

Vielen Dank an den DTV für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars!


Titel: Ich und die Menschen
Autor: Matt Haig
Seiten: 352
Verlag: dtv
ISBN: 978-3423260145
Preis: 14,90 (Broschiert)

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